Estland hat eines der gründerfreundlichsten Unternehmensumfelder der Welt aufgebaut. Anstatt auf jährliche Gewinne Körperschaftssteuer zu erheben, wendet das Land einen Steuersatz von 0 % an, solange die Einnahmen im Unternehmen bleiben.
Gewinne bleiben im Unternehmen, bis Dividenden ausgeschüttet werden
In Estland zahlen Unternehmen keine Körperschaftssteuer auf einbehaltene oder reinvestierte Gewinne. Die Steuer wird erst erhoben, wenn Gewinne als Dividenden ausgeschüttet werden. Dieser Ansatz ermöglicht es Unternehmen, Gewinne für den Betrieb, Neueinstellungen oder die Entwicklung zu verwenden, ohne dass dafür jährlich Steuern anfallen.
Dieser Artikel erklärt die Hauptmerkmale des estnischen Körperschaftssteuersystems, zeigt dessen Vorteile für Unternehmen auf und vergleicht es mit traditionellen Modellen in Europa. Basierend auf unserer Expertise in der Unternehmensgründung in Estland bieten wir praktische Informationen für Unternehmer und ausländische Gründer.
So funktioniert das estnische Körperschaftssteuersystem
Estland nutzt ein aufgeschobenes Körperschaftssteuersystem, das bedeutet, dass Unternehmen 0 % Steuern auf einbehaltene oder reinvestierte Gewinne zahlen. Alle nicht ausgeschütteten Unternehmensgewinne sind steuerfrei – dies umfasst sowohl aktive Einkünfte (operative Gewinne) als auch passive Einkünfte (Zinsen, Lizenzgebühren, Kapitalgewinne) des Unternehmens. Die Besteuerung der Gewinne wird einfach aufgeschoben, bis diese Gewinne an die Anteilseigner oder Eigentümer ausgezahlt werden.
Besteuerung erst bei Ausschüttung
Im Moment der Gewinnausschüttung (zum Beispiel wenn Dividenden ausgezahlt werden) wird Körperschaftssteuer fällig. Mit Stand 2025 erhebt Estland eine Körperschaftssteuer von 22 % auf ausgeschüttete Gewinne, berechnet als 22/78 der Netto-Ausschüttung (annähernd gleichbedeutend mit 20 % Steuer auf den Bruttobetrag). Zum Beispiel: Hat ein estnisches Unternehmen 100 € Gewinn und beschließt, ihn auszuschütten, so fallen etwa 22 € Körperschaftssteuer an und 78 € werden als Dividende ausgezahlt. Bis zu diesem Zeitpunkt der Auszahlung entrichtet das Unternehmen jedoch keine Steuer auf seine Erträge.
Keine Steuer ohne Ausschüttung
Aus estnischer Sicht wird diese Steuer auf Dividenden als Körperschaftssteuer behandelt, nicht als Quellensteuer, und wird daher durch Abkommen nicht reduziert. Wichtig: Wenn ein Unternehmen seine Gewinne nie ausschüttet, fällt darauf in Estland auch niemals Körperschaftssteuer an. In der Praxis besteht keine Pflicht, jährliche Körperschaftssteuererklärungen einzureichen, sofern keine Ausschüttungen vorgenommen wurden, da die Körperschaftssteuer nur zum Zeitpunkt der Ausschüttung oder anderer steuerpflichtiger Ausgaben erhoben wird.
Dieses System steht allen in Estland ansässigen Unternehmen (einschließlich solchen in ausländischem Besitz) sowie in Estland registrierten Betriebsstätten ausländischer Firmen zur Verfügung – es ist der Standardrahmen der Unternehmensbesteuerung in Estland und kein spezielles Anreizprogramm. Auf den ersten Blick mag ein solches Modell den Vorteilen einer Steueroase ähneln, doch Estlands Regime ist vollkommen transparent, EU-konform und allgemeingültig, anstatt ein bevorzugtes Sondermodell zu sein.
Estland in der EU: Vergleich der Körperschaftssteuersätze
Um Estlands Politik in den Kontext zu stellen, zeigt die folgende Tabelle Estlands Steuer auf einbehaltene Gewinne neben den Körperschaftssteuersätzen anderer EU-Länder. Die Liste reicht von den höchsten gesetzlichen Körperschaftssteuersätzen in der EU bis zu den niedrigsten und veranschaulicht, wie Estland mit effektiv 0 % Steuer auf reinvestierte Gewinne hervorsticht.
Zu den niedrigsten regulären Steuersätzen in der EU zählen Ungarn (9 %) und Bulgarien (10 %), was diese Länder für Unternehmen, die eine einfache Pauschalbesteuerung suchen, sehr attraktiv macht. Kroatien bietet ebenfalls einen reduzierten Satz von 10 % für kleine Unternehmen, während größere Firmen 18 % zahlen. Zypern und Irland haben einen Körperschaftssteuersatz von 12,5 %, wobei dieser in Irland auf alle laufenden Geschäftseinnahmen pro Jahr erhoben wird.
Tschechien und die Slowakei gewähren kleinen Unternehmen ermäßigte Sätze (um 12–15 %), wenden ansonsten jedoch den Standardsatz von 21 % an. Litauen hat einen Körperschaftssteuersatz von 15 %, der zwar wettbewerbsfähig ist, aber nicht so niedrig wie in anderen Ländern der Region. Auf dem Papier wirkt Maltas Körperschaftssteuersatz mit 35 % sehr hoch. Tatsächlich zahlen viele Unternehmen dank eines Rückerstattungssystems jedoch eher um die 5 %, womit Malta zu den attraktivsten Steuerregimen in der Praxis zählt.
Einzigartig in der EU: Estlands umfassende Steuerentlastung für einbehaltene Gewinne
In Estland geht man jedoch noch weiter. Das System setzt den Körperschaftssteuersatz auf reinvestierte Gewinne auf 0 % fest. Das bedeutet: Unternehmen können all ihre Gewinne im Unternehmen behalten – um zu expandieren, Mitarbeiter einzustellen oder Innovationen voranzutreiben – ohne jährlich eine Steuerrechnung befürchten zu müssen. Erst wenn Dividenden ausgeschüttet werden (14–20 %), greift die Besteuerung, was Gründern und Investoren deutlich mehr Flexibilität verschafft.
Kein anderes EU-Land bietet eine so weitreichende Entlastung auf einbehaltene Gewinne. Deshalb gehört Estland regelmäßig zu den Ländern mit den wettbewerbsfähigsten und unternehmerfreundlichsten Steuersystemen der Welt.
Steuervorteile für Unternehmen und Investoren
Estlands Körperschaftssteuersystem bietet klare Vorteile, die es insbesondere für Startups, KMU und internationale Investoren attraktiv machen.
- Reinvestieren ohne Steuer. In den meisten Ländern verlieren Unternehmen 20–30 % ihrer Gewinne durch jährliche Steuern, selbst wenn diese Gewinne reinvestiert werden. In Estland bleiben einbehaltene Gewinne steuerfrei, bis Dividenden gezahlt werden. Dadurch bleibt mehr Geld im Unternehmen für Wachstum, Neueinstellungen oder Produktentwicklung – wie ein zinsloses Darlehen vom Staat.
- Ein Auftrieb für Startups. Dieses Modell hat Estland dabei geholfen, eine florierende Startup-Szene aufzubauen. Gründer werden für Reinvestitionen nicht bestraft, was den Aufstieg von „Einhörnern“ wie Skype, Wise und Bolt begünstigt hat. Steuern werden erst relevant, sobald ein Unternehmen reif genug ist, Dividenden auszuschütten – die Besteuerung orientiert sich somit am langfristigen Erfolg.
- Attraktiv für internationale Gründer. Dank der e-Residency wurden von ausländischen Unternehmern bereits über 20.000 Firmen gegründet. Globale Akteure wie Microsoft und Ericsson haben Estland ebenfalls als Standort gewählt. Für Investoren können Gewinne steuerfrei angesammelt werden, bis sie in ihr Heimatland zurückgeführt werden – damit ist Estland ein effizienter Einstieg in den EU-Markt.
- Ein echter Kontrast zu traditionellen Systemen. In Ländern wie Deutschland oder Frankreich werden Gewinne jedes Jahr besteuert, unabhängig davon, ob sie ausgeschüttet werden. In Estland gilt: keine Ausschüttung – keine Steuer. Dieser Ansatz führt zu einer höheren Reinvestitionsfähigkeit, zu höheren Renditen und zu einer vereinfachten Buchhaltung.
- Einfache Compliance. Estlands digitales Steuersystem macht die Verwaltung unkompliziert. Wenn keine Dividenden ausgezahlt werden, ist keine Körperschaftssteuererklärung nötig. Und wenn eine Erklärung erforderlich ist, dauert das Ausfüllen in der Regel nur wenige Minuten – weit weniger als die über 40 Stunden, die Unternehmen im OECD-Durchschnitt dafür aufwenden.
Zusammengefasst verschafft Estlands 0 %-Steuer auf einbehaltene Gewinne Unternehmen mehr Kapital, mehr Zeit und weniger Bürokratie. Diese Politik ist darauf ausgelegt, Wachstum zu fördern – einer der Gründe, warum Estland immer wieder zu den wettbewerbsfähigsten Steuerumfeldern weltweit zählt.
Kontrast zu traditionellen Körperschaftsteuersystemen
In den meisten Ländern wird auf Gewinne Körperschaftssteuer fällig, sobald sie erwirtschaftet werden. Frankreich verlangt rund 25 %, Polen 19 %, Dänemark 22 %. Es spielt keine Rolle, ob das Geld im Unternehmen bleibt oder an Anteilseigner ausgeschüttet wird – die Steuerbehörden holen sich jedes Jahr ihren Anteil. Darüber hinaus fügen viele Systeme eine weitere Besteuerungsebene hinzu, wenn Dividenden ausgeschüttet werden, wodurch Unternehmen und Anteilseigner letztlich noch weniger vom Gewinn behalten.
Warum Estland unter den Industrieländern hervorsticht
Estlands System stellt dieses Konzept auf den Kopf. Es fällt keine Körperschaftssteuer an, bis Gewinne ausgeschüttet werden. Wenn ein estnisches Unternehmen niemals Dividenden ausschüttet, zahlt es auch niemals Körperschaftssteuer auf seine Gewinne – Punkt. Effektiv besteuert Estland die Gewinne eines Unternehmens nur dann, wenn die Anteilseigner sie tatsächlich als Einkommen vereinnahmen. Dies wird manchmal als „Cashflow-Steuersystem“ bezeichnet, da die Besteuerung mit dem Geldabfluss an die Eigentümer zusammenfällt und nicht mit dem buchhalterischen Gewinn. Der estnische Ansatz beseitigt somit die klassische Doppelbesteuerung von Gewinnen (einmal auf Unternehmensebene, einmal auf Eigentümerebene) – Gewinne werden lediglich ein einziges Mal auf der Ebene der Ausschüttung besteuert. Tatsächlich erhebt Estland in den meisten Fällen keine zusätzliche Quellensteuer auf Dividenden, die an in- oder ausländische Anteilseigner gezahlt werden. Und wenn diese Dividenden auf Unternehmensebene bereits besteuert wurden, unterzieht Estland sie bei ansässigen Privatpersonen nicht erneut der Einkommensteuer. Das Ergebnis ist ein einfacheres, einmaliges Steuerereignis anstelle einer kontinuierlichen Steuerbelastung in jedem Geschäftsjahr.
Einige Länder beginnen, diesem Modell zu folgen. Lettland hat 2018 ein ähnliches System eingeführt, und Georgien hat dies außerhalb der EU ebenfalls getan. Dennoch gilt Estland als Vorreiter unter den Industrieländern. Der Unterschied ist klar: Anderswo werden Gewinne sofort besteuert, in Estland können sie dagegen steuerfrei reinvestiert werden, was den Unternehmen eine stärkere Grundlage für langfristiges Wachstum gibt.
Fazit
Estlands Körperschaftssteuersystem – 0 % auf einbehaltene Gewinne, Besteuerung erst bei Ausschüttung – verschafft Unternehmen jeder Größe einen praktischen Vorteil. Es ermöglicht Steuerstundung, fördert Reinvestitionen und reduziert den Verwaltungsaufwand – und das innerhalb eines einfachen, EU-konformen Rahmens. Diese Merkmale spiegeln sich in Estlands lebendiger Startup-Szene und der Popularität von Firmengründungen über die e-Residency wider.
Clevere Politik als Motor für langfristiges Wachstum in Estland
Einfach ausgedrückt ermöglicht Estland Unternehmen, erst zu wachsen, bevor sie Steuern zahlen. KMU erhalten zusätzliches Kapital für ihre Entwicklung, und internationale Investoren finden eine verlässliche, effiziente Basis für ihre Expansion in Europa. Mit seinem schlanken und transparenten Steuersystem hat sich Estland als eine der unternehmerfreundlichsten Jurisdiktionen in der EU positioniert. Dieses Modell zeigt, wie eine klare und gut konzipierte Steuerpolitik Investitionen fördern, den Geschäftsbetrieb vereinfachen und langfristiges Wirtschaftswachstum unterstützen kann.